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Michael Sommer – Mordsache Caesar | Buchkritik

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Die Geschichte des Bürgerkriegs am Ende der Römischen Republik ist wohl kaum zu schreiben, ohne vom Aufstieg und Fall der großen Männer zu berichten – oder des einen großen Mannes: Caesars nämlich. In seinem jüngst erschienenen Buch über die Mordsache Caesar verbindet der Oldenburger Althistoriker Michael Sommer diesen Ansatz mit dem der longue durée, also der Beobachtung von langfristigen Strukturen der Vorgeschichte eines Ereignisses. Dabei geht es ihm nicht nur um die letzten Tage des Diktators – so der Untertitel –, sondern die Geschichte der Republik schlechthin, dass nämlich die Geschichte von Caesars Ermordung 400 Jahre vor seiner Geburt mit der Gründung der Republik begonnen habe.

Der Resilienzvorrat der Republik war durch den Bürgerkrieg erschöpft

Der schon in den Jahren um Caesars Geburt 100 vor Christus tobende Krieg um die Vorherrschaft hatte den jahrhundertealten Freiheitsgedanken der römischen Patrizierschicht geschwächt. Und diese Schwächung des republikanischen Konsenses zeigt sich womöglich nirgends so deutlich wie in Caesars von seinem ersten Biographen Sueton überlieferten Satz am Rubikon: „Diesen Fluss nicht zu überqueren, wird Unglück über mich bringen, ihn zu überqueren, über die ganze Menschheit.“ Als Caesar den Rubikon dann in seinem ganzen Machtwillen überquerte: War er lediglich Profiteur eines allmählichen Verfalls des republikanischen Gedankens oder war er ein Akteur mit einem Programm zur Beendigung des Bürgerkriegs? Dazu meint der Autor Michael Sommer:
Weder das eine noch das andere. Als Caesar am Rubikon stand, ging es ihm nur darum – seine Ehre – dignitas. Caesars Ego war so groß, dass es nicht mehr in die Republik mit ihren ehernen Prinzipien von Kollegialität und Annuität passte. Das Denken in den Kategorien von Standessolidarität und senatorischer Disziplin war dem Bezwinger Galliens fremd.

Quelle: Michael Sommer

Der Tyrannenmord geht aus dem Mythos der Freiheit hervor

Caesars Selbstbild hat also offenbar nichts mehr mit republikanischen Tugenden zu tun – und das ruft seine Mörder auf den Plan. Bei seinen Überlegungen zu diesem Mordfall sieht sich der Historiker Michael Sommer als Ermittler: Freilich sind nicht die Mörder zu ermitteln, denn diese handelten in aller Öffentlichkeit – sondern ihre Motive. Und diese erschließen sich aus dem Mythos der Freiheit, ein Mythos, der sich im Namen des Haupttäters geradezu kondensiert: Lucius Junius Brutus war derjenige, der den letzten der Könige, Tarquinius Superbus, viereinhalb Jahrhunderte vor dem Mord an Caesar vertrieben hatte. Und dessen Mörder heißt wiederum Marcus Junius Brutus.
Das war Zufall – und doch wieder auch nicht. Nichts geschah in der römischen Geschichte ganz zufällig. Das historische Gedächtnis war lang, und die Ahnen schwebten wirkungsmächtig über allem, was bedeutende Römer an großen Taten vollbrachten,

Quelle: Michael Sommer - Mordsache Caesar

So schreibt es Michael Sommer und spielt damit auf die Wirkmacht des mos maiorum der Römer an, dieses Destillat erinnerter Geschichte, das besagte, keinen Alleinherrscher zu akzeptieren. Wenn die Vertreibung des letzten Königs um 500 vor Christus zum Gründungsnarrativ der Republik werden konnte, warum gelang es den Caesarmördern nicht, Kapital aus ihrer Tat zu schlagen? Ja warum nicht? Es war ein mächtiges Narrativ, es hatte viele Menschen das Leben gekostet und noch viele mehr davon abgehalten, das Kollektiv der senatorischen Machtelite herauszufordern. Als Caesar tot am Boden lag, traten sofort Ereignisse ein, mit denen die Mörder nicht gerechnet hatten und die ihren Plan A über den Haufen warfen. Plan A lautete: Die Leiche Caesars wegschaffen und die Jubelstimmung ausnutzen, um das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Es gab aber keinen Jubel und das Rad der Geschichte lässt sich auch nicht zurückdrehen.

Augustus – „der junge Caesar“

Also galt es, den Schwung des Rades zu nutzen, um im Bild zu bleiben. Dies gelang Caesars Großneffen Octavian: Augustus ‚verkaufte‘ den Senatoren seine Alleinherrschaft als Fortsetzung der Republik und erklärte den Bürgerkrieg für beendet. Pax Augusta nannte er es – den augusteischen Frieden, und Michael Sommer kommentiert lakonisch: „Sieger schreiben Geschichte.“ In seinem Buch über Caesars Ende lässt er seine Leser und Leserinnen hinter die Kulissen dieser Siegergeschichte schauen.
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Der Resilienzvorrat der Republik war durch den Bürgerkrieg erschöpft

Der schon in den Jahren um Caesars Geburt 100 vor Christus tobende Krieg um die Vorherrschaft hatte den jahrhundertealten Freiheitsgedanken der römischen Patrizierschicht geschwächt. Und diese Schwächung des republikanischen Konsenses zeigt sich womöglich nirgends so deutlich wie in Caesars von seinem ersten Biographen Sueton überlieferten Satz am Rubikon: „Diesen Fluss nicht zu überqueren, wird Unglück über mich bringen, ihn zu überqueren, über die ganze Menschheit.“ Als Caesar den Rubikon dann in seinem ganzen Machtwillen überquerte: War er lediglich Profiteur eines allmählichen Verfalls des republikanischen Gedankens oder war er ein Akteur mit einem Programm zur Beendigung des Bürgerkriegs? Dazu meint der Autor Michael Sommer:
Weder das eine noch das andere. Als Caesar am Rubikon stand, ging es ihm nur darum – seine Ehre – dignitas. Caesars Ego war so groß, dass es nicht mehr in die Republik mit ihren ehernen Prinzipien von Kollegialität und Annuität passte. Das Denken in den Kategorien von Standessolidarität und senatorischer Disziplin war dem Bezwinger Galliens fremd.

Quelle: Michael Sommer

Der Tyrannenmord geht aus dem Mythos der Freiheit hervor

Caesars Selbstbild hat also offenbar nichts mehr mit republikanischen Tugenden zu tun – und das ruft seine Mörder auf den Plan. Bei seinen Überlegungen zu diesem Mordfall sieht sich der Historiker Michael Sommer als Ermittler: Freilich sind nicht die Mörder zu ermitteln, denn diese handelten in aller Öffentlichkeit – sondern ihre Motive. Und diese erschließen sich aus dem Mythos der Freiheit, ein Mythos, der sich im Namen des Haupttäters geradezu kondensiert: Lucius Junius Brutus war derjenige, der den letzten der Könige, Tarquinius Superbus, viereinhalb Jahrhunderte vor dem Mord an Caesar vertrieben hatte. Und dessen Mörder heißt wiederum Marcus Junius Brutus.
Das war Zufall – und doch wieder auch nicht. Nichts geschah in der römischen Geschichte ganz zufällig. Das historische Gedächtnis war lang, und die Ahnen schwebten wirkungsmächtig über allem, was bedeutende Römer an großen Taten vollbrachten,

Quelle: Michael Sommer - Mordsache Caesar

So schreibt es Michael Sommer und spielt damit auf die Wirkmacht des mos maiorum der Römer an, dieses Destillat erinnerter Geschichte, das besagte, keinen Alleinherrscher zu akzeptieren. Wenn die Vertreibung des letzten Königs um 500 vor Christus zum Gründungsnarrativ der Republik werden konnte, warum gelang es den Caesarmördern nicht, Kapital aus ihrer Tat zu schlagen? Ja warum nicht? Es war ein mächtiges Narrativ, es hatte viele Menschen das Leben gekostet und noch viele mehr davon abgehalten, das Kollektiv der senatorischen Machtelite herauszufordern. Als Caesar tot am Boden lag, traten sofort Ereignisse ein, mit denen die Mörder nicht gerechnet hatten und die ihren Plan A über den Haufen warfen. Plan A lautete: Die Leiche Caesars wegschaffen und die Jubelstimmung ausnutzen, um das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Es gab aber keinen Jubel und das Rad der Geschichte lässt sich auch nicht zurückdrehen.

Augustus – „der junge Caesar“

Also galt es, den Schwung des Rades zu nutzen, um im Bild zu bleiben. Dies gelang Caesars Großneffen Octavian: Augustus ‚verkaufte‘ den Senatoren seine Alleinherrschaft als Fortsetzung der Republik und erklärte den Bürgerkrieg für beendet. Pax Augusta nannte er es – den augusteischen Frieden, und Michael Sommer kommentiert lakonisch: „Sieger schreiben Geschichte.“ In seinem Buch über Caesars Ende lässt er seine Leser und Leserinnen hinter die Kulissen dieser Siegergeschichte schauen.
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