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The War and Treaty’s Michael and Tanya Trotter grew up in Cleveland, Ohio, and Washington, DC, respectively, but both have family roots in the South. They also grew up in the musical traditions of their churches – Tanya in the Black Baptist Church and Michael in the Seventh Day Adventist Church – where they learned the power of song to move people. After becoming a father at a very young age, Michael eventually joined the armed forces and served in Iraq and Germany, where he took up songwriting as a way of dealing with his experiences there. Meanwhile Tanya embarked on a singing and acting career after a breakthrough appearance in Sister Act 2 alongside Whoopi Goldberg and Lauryn Hill. Now, after a long and sometimes traumatic journey, Michael and Tanya are married, touring, winning all sorts of awards, and set to release their fifth album together, and their fourth as The War and Treaty. Sid talks to Michael and Tanya about the new record, Plus One , as well as their collaboration with Miranda Lambert, what it was like to record at FAME studios in Muscle Shoals, and how they’re blending country, soul, gospel, and R&B. Learn more about your ad choices. Visit podcastchoices.com/adchoices…
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Der Protagonist von Kurt Prödels Debütroman heißt eigentlich Thomas. Doch seit ein Wachstumsschub dem 15-Jährigen knackende Gelenke beschert hat, verspottet ihn die ganze Klasse nur noch als „Klapper“. Grund genug für den Computerfreak, seine Freizeit konsequent in einer pixeligen Parallelwelt zu verbringen; Freundschaften kennt Klapper nur vom Hörensagen. Gemeinsame Leidenschaft: Ballerspiele Sein Status als Außenseiter und Mobbingopfer ändert sich erst, als zu Beginn des neuen Schuljahres ein etwas merkwürdiges Mädchen dazukommt: eine burschikose Sitzenbleiberin, die sich „Bär“ nennt – und sich ausgerechnet neben Klapper setzt. Der weiß erst gar nicht, wie ihm geschieht; voller Ängste und Komplexe flüchtet er sich in pseudocooles Schweigen. Das Eis zwischen ihm und Bär bricht erst, als sich herausstellt, dass die beiden eine Leidenschaft teilen, Ballerspiele. Was zockst du eigentlich?“ Klapper zuckte. Die Frage war viel zu intim. „Ähhhh.“ „Komm schon, jetzt tu nicht so. Man sieht doch aus 100 Kilometern, dass du ein Gamer bist.“ „Warum denkst du das?“ „Schlaksig, hängende Arme, krummer Nacken. Klassischer Gamerneck. Das kommt nicht von selbst, das erarbeitet man sich, indem man den ganzen Tag vorm Bildschirm hängt.“ Ihre Analyse war treffend und brutal. Quelle: Kurt Prödel – Klapper Vorzeitiges Ende einer Freundschaft Nicht lange, und beide basteln an Bärs Rechner gemeinsam an einer Karte ihrer Schule – als Vorlage für eine digitale Spielwiese für Counter-Strike, dem berüchtigten Ego-Shooter. Was 2011, auf dem Höhepunkt der Debatte um Killerspiele und jugendliche Amokläufer, nicht gerade die brillanteste Idee ist, wie sich noch zeigen wird. Doch es ist der Beginn einer Beziehung voller Möglichkeiten und Versprechen – der aber nur wenig Zeit vergönnt ist. Prödels traurigschöner Coming-of-Age-Roman spielt auf zwei Zeitebenen. Die eine, umfangreichere, erzählt die kurze, allzu kurze Geschichte dieser Freundschaft. Die andere spielt 14 Jahre später. Klapper ist erwachsen, zumindest äußerlich. Er führt ein tristes Single-Leben und ist immer noch ein Außenseiter, nur eben jetzt in einem Unternehmen, als IT-Experte – als wäre die Zeit für ihn innerlich stehengeblieben. An seine Freundschaft mit Bär erinnert er sich eher unfreiwillig. Aus einer Laune heraus loggt er sich in seinen alten Counter-Strike-Zugang ein, nur um dort über Bärs altes Profilbild zu stolpern. Klapper stockt und nimmt seine Finger von der Maus. Seine Augen schimmern, als wäre er ein Archäologe, der ein digitales Fossil entdeckt hat. Der Account heißt BÄR und hat einen kleinen Vermerk. BÄR, offline seit 4891 Tagen. Quelle: Kurt Prödel – Klapper Digitalisierte Wahrnehmung Kurt Prödels flott zu lesendes 250-Seiten-Debüt ist voller skurriler Szenen und Humor. Für letzteren sorgt nicht zuletzt die sozusagen digitalisierte Wahrnehmung seines Personals: Da sieht ein aufgeräumtes Wohnzimmer für Klapper aus wie „frisch formatiert“, und wenn er sich vor seiner provokationsfreudigen Mitschülerin wieder in sein Schneckenhaus zurückflüchtet, sieht Bär einen hängenbleibenden Ladebalken über seinem Kopf schweben. Der Roman des 34-jährigen Kölners überzeugt aber auch mit geschickt gesetzten Perspektivwechseln. Denn diese ermöglichen den Leserinnen und Lesern etwas, was den beiden jugendlichen Protagonisten verwehrt bleibt: zu sehen, was beim jeweils anderen tatsächlich los ist. Gerade Klapper, gefangen in einem klaustrophobischen Elternhaus, glaubt in Bärs hipper, chaotischer Großfamilie das ersehnte Gegenmodell gefunden zu haben. Dass die Meiers aus dem „Bonzenviertel“ auf ihre Weise genauso dysfunktional sind wie seine eigene Familie, dass Bär in der Rolle einer Ersatzmutter für ihre Geschwister heillos überfordert ist, bleibt ihm bis zuletzt verborgen. Und somit auch der Grund für Bärs häufige Stimmungsschwankungen. Mit „Klapper“ hat Kurt Prödel einen erfrischenden Coming-of-Age-Roman vorgelegt, der der Figur des nerdigen Zockers und Gamers ein sympathisches Denkmal setzt.…
Manchmal wird der Riss, der durch eine Familie geht, an einer Wetterkarte deutlich: So erscheinen auf der Karte des russischen Wetterberichts, den Dmitrij Kapitelmans Mutter verfolgt, auch eingenommene ukrainische Orte: Für Russisch-Donezk etwa werden drei Grad und Schneeregen vorausgesagt. Während die Mutter regelmäßig das russische Propaganda-Fernsehen verfolgt und ebenso regelmäßig auf die Ukraine schimpft, denkt ihr Sohn an die Freunde und Bekannten in Kyjiw, die seit dem Beginn des Krieges um ihr Leben fürchten müssen. Denn einst hat die gesamte Familie in der ukrainischen Hauptstadt gelebt, bis sie in den 1990er Jahren nach Deutschland gezogen ist. Mit dem russischen Staat, so hält Kapitelman fest, verbindet die Mutter neben den Sendungen im Fernsehen nur die Sprache: Geboren wurde sie in Sibirien, doch mit drei Jahren brachte Großmutter ihr Töchterchen ins wärmere Moldawien – die kleine Lara vertrug die russische Kälte nicht. Ihr russischer Vater war da schon über alle Berge und ließ die beiden zurück. In Moldawien wuchs meine Mutter zur Frau heran. Und diese Frau beschloss, einmal volljährig, in das große Kyjiw zu gehen. Quelle: Dmitrij Kapitelman – Russische Spezialitäten Leben im Angesicht des russischen Angriffskriegs In seinem neuen Roman erzählt Dmitrij Kapitelman davon, wie das eigene Leben im Angesicht des russischen Angriffskriegs ins Wanken gerät und auch die alltäglichsten Dinge politisiert werden. Das betrifft vor allem die Sprache, denn Kapitelman spricht neben Deutsch vor allem Russisch. Während die Mutter in der Fernseh-Propaganda versinkt, versucht Kapitelman jeden Tag etwas russische Literatur zu lesen, um die Sprache auch in einem anderen Zusammenhang zu erleben. Gleichzeitig ringt er auch ganz praktisch mit der Sprache. Wenn er im Ladengeschäft seiner Eltern aushilft, das den Namen „Russische Spezialitäten“ trägt, wollen ihm die rechten Wörter nicht immer einfallen: Wobei nichts davon so sehr wehtut, wie wenn mir die russischen Wörter fehlen, um Mama und Papa mitzuteilen, was ich fühle. Und wenn die Wörter mal fehlen, dann nehmen diese fehlenden Wörter so unglaublich viel Platz in einem weg. Mein Kopf, meine Augen, mein Mund, meine Kehle, meine Brust, mein Herz – alles ist plötzlich voll mit fehlenden Wörtern. Als würden die fehlenden Wörter in einem anschwellen. Ich halte mich daher ständig bereit, so zu tun, als wäre alles, was ich auf Russisch sage, ein Witz gewesen. Quelle: Dmitrij Kapitelman – Russische Spezialitäten Zusammenbruch der Sowjetunion In dem Versuch, seine Eltern und das Auseinanderdriften der jeweiligen Ansichten zu verstehen, blickt Kapitelman zurück auf die Zeit nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion: Er hält die Freude über die neu erlangte Unabhängigkeit in Kyjiw ebenso fest wie den Alltag in Ostdeutschland. Im Roman zeigen sich die vergangenen Jahrzehnte dabei als eine Zeit fortwährender Veränderung, die in einer allgemeinen Verunsicherung und dem Erstarken der politischen Rechten münden. Alltag zwischen Normalität und Luftangriffen Im letzten Drittel folgt dann ein harter Schnitt in die Jetzt-Zeit: Kapitelman beschließt, selbst in die Ukraine zu fahren, und beschreibt den Alltag in Kyjiw zwischen Normalität und fortwährenden Luftangriffen. Mit der russischen Sprache fühlt er sich auch dort unwohl. Und auch die Frage eines Kindheitsfreundes, auf welcher Seite er stehe, bringt ihn ins Straucheln: Der Seite, die von der großen Gewalt bedroht ist, würde ich am liebsten sagen. Rostik von den Neo-Landtagen der neuen Nazis erzählen, und auch von den sogenannten Christdemokraten, die ihre größten Wahlhelfer sind. Von den gerissenen Wagenknechts, die stückchenweise russischen Autoritarismus importieren und sehr profitabel an die Deutschen weiterverkaufen. Quelle: Dmitrij Kapitelman – Russische Spezialitäten Auch in seinem neuen Roman spielt Dmitrij Kapitelman seine Stärken als Journalist und Autor aus: Er beobachtet, ordnet ein und erzählt einfach mitreißend. „Russische Spezialitäten“ überzeugt als kluger Blick auf die derzeitige Weltlage. Denn Dimitrij Kapitelman setzt vermeintlichen Gewissheiten die eigene Erfahrung und Empathie entgegen – und unserer mitunter trostlosen Gegenwart eine Menge Witz.…
Einmal, berichtet uns die Erzählerin im Vorwort des Buches, habe sie in der U-Bahn eine Panikattacke bekommen. Um sie auszuhalten, versuchte sie sich vollkommen auf alles zu konzentrieren, was um sie herum passierte, und ihr Blick blieb an einer Frau hängen, die ihr schon zuvor aufgefallen war. So konnte sie sich selbst in Sicherheit bringen vor ihrer Angst. Dieses Schlüsselerlebnis ist der Grundstein meiner nunmehr zehn Jahre anhaltenden Beobachtungsreise. Eine Art Therapie, die mich – außer unzähligen Tassen Kaffee – nichts kostet. Von West nach Ost (Berlin) habe ich mich durch sämtliche Cappuccinos probiert. Mehr habe ich in den letzten zehn Jahren gefühlt nicht gemacht. Sitzen, Nippen, Beobachten, Tippen. Quelle: Linda Rachel Sabiers – Kleine Momente in der großen Stadt Die Lust an der Beobachtung Linda Rahel Sabiers beginnt also, Szenen der Großstadt zu notieren. Sie will nicht garantieren, dass sich alles wirklich so zugetragen hat, aber es klingt danach. Sie will weder werten, noch urteilen. Sie will vielleicht noch am ehesten so etwas sein wie ein „stummer Spiegel“. „Tagebuch der Großstadt – ohne Schloss und Schlüssel“ nennt sie ihre Sammlung für sich selbst. Entstanden sind dabei kleine Geschichten, Anekdoten, Dialogsprengsel aus dem Alltag in der großen Stadt, hauptsächlich Berlin. Ein paar wenige Szenen spielen auch in Köln. Auffallend an Sabiers Miniaturen ist auch, dass kein Wort zu viel geschrieben ist. Was einen sofort einnimmt, sind die vielen unterschiedlichen Menschen und Lebensalter, die uns erzählt werden, vom kleinsten Kind, gerade der Sprache mächtig, bis zum alten Stadtbewohner, alle kommen vor. Und ich schicke es voraus: Das ist ein Buch (wenigstens) für alle Berliner Freunde und Berlin-Freunde, die Bücher an einem Örtchen liegen haben, wo sie manchmal auch nur ein bisschen alleine herumsitzen – und nicht Trübsal blasen wollen. Sie werden ihre Freude haben. Auf der Eingangstreppe des Gorki-Theaters sitzen ein Mann und eine Frau. Sie hält mit der einen Hand seine, in der anderen Hand ein Glas Rotwein. Er schluchzt, durch die offenen Flügeltüren hören wir den ersten Gong. „Ich sagte doch nur, dass du dir endlich mal deine Gefühle eingestehen sollst.“ „Mach ich doch.“ „Aber doch nicht jetzt.“ Quelle: Linda Rachel Sabiers – Kleine Momente in der großen Stadt Das existentielle Wehen im banalen Leben Das sind menschenkundige, freundliche und sehr genaue Beobachtungen, was sich auch in den kürzesten der etwa 200 Momente zeigt. Immer spürt man entweder die Freude an der Komik der Alltagssituation; die Freude an so etwas wie einem existentiellen Wehen im banalen Leben; die Freude, dem Auge zu folgen, dem Ohr. Und die Neugier auf Menschen. Oder genauer, das Interesse am Umgang der Menschen mit ihrem Leben, mit ihren Mitmenschen, mit der Welt. Schön daran ist, dass nicht gedeutet wird, nicht erklärt. Alles, was diese kleinen Geschichten erzählen, verstehen wir, weil wir sie lesen. Neben mir in der U-Bahn sitzen zwei Männer und unterhalten sich. „Warst du am Wochenende bei der Gaza-Solidaritätskundgebung?“ „Nee hab ich verpasst. Du?“ „Ja, aber es waren kaum Leute da. Und dieses eine Mädchen. Die bei der Merkel geweint hat. Die Durfte nichts sagen.(…) „Wer hat es verboten?“. „Bestimmt die Springer-Leute, ist doch alles in Judenhand. Die Polizei übrigens auch.“ „Sei leise. Nicht dass die uns hören!“ „Die Juden? Die sind doch reich.“ „Stimmt, ich hab noch nie einen Juden in der Bahn gesehen.“ Quelle: Linda Rachel Sabiers – Kleine Momente in der großen Stadt Wirklich lustig ist das nicht. Aber wenn Ressentiments gegen Minderheiten so ungeschützt und zweifelsfrei vorgetragen werden, freut man sich über die heimliche Zuhörerin, die sie möglichst laut weitererzählt!…
Seit 1. Januar 2024 ist Astrid Böhmisch die Direktorin der Leipziger Buchmesse, und mit ihr wollen wir einen Ausblick wagen auf das Frühjahrstreffen der Buchbranche. In für die Buchbranche ökonomisch prekären Zeiten will Böhmisch die Leipziger Messe als bedeutendes Frühjahrsbranchentreffen erhalten und auch die politische Relevanz der Veranstaltung festigen. Unterstützung bekommt sie in diesem Jahr von einer königlichen Botschafterin für die Literatur. Im Gespräch gibt Astrid Böhmisch einen Ausblick auf das Programm. Eröffnung Leipziger Buchmesse am 26. März Am 26. März 2025 wird im Gewandhaus zu Leipzig die Leipziger Buchmesse eröffnet, traditionsgemäß mit der Verleihung des Leipziger Buchpreises zur Europäischen Verständigung. Der geht in diesem Jahr an den belarussischen Schriftsteller Alhierd Bacharevič für seinen Roman „Europas Hunde“.…
Norwegen ist in diesem Jahr der Ehrengast auf der Leipziger Buchmesse . Eine der wichtigsten norwegischen Schriftstellerinnen der Gegenwart ist die 1959 geborene Vigdis Hjorth. Schlachtfeld Familie Auch in Deutschland ist sie in den vergangenen Jahren durch ihre Romane „Die Wahrheiten meiner Mutter“ und „Ein falsches Wort“ bekannt geworden. Romane, in denen eine Familie und deren verschwiegene Ungeheuerlichkeiten im Mittelpunkt stehen. Nun gibt es ein neues, dieses Mal recht schmales Buch von Vigdis Hjorth. „Wiederholung“ heißt es, und wurde bereits mit dem bedeutendsten norwegischen Literaturpreis bedacht. Wir stellen ihn im Gespräch mit Iris Radisch, Literaturredakteurin der Wochenzeitung „Die Zeit“, vor.…
Philip K. Dick, geboren 1928 in Chicago, gestorben 1982 in Kalifornien, war einer der einflussreichsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Dick gilt bis heute als Visionär und Erfinder des Cyberpunk-Genres. Seine Erzählungen und Romane lieferten die Vorlage für Filme wie „Blade Runner“, „Total Recall“ und „Minority Report“. Emmanuel Carrère über Philip K. Dick Auch der französische Schriftsteller Emmanuel Carrère ist seit vielen Jahren ein Fan von Philip K. Dicks Werken. Im Jahr 1993, lange, bevor er selbst berühmt wurde, hat Carrère ein Buch über Dick geschrieben, das nun, 32 Jahre später, erstmals in deutscher Übersetzung vorliegt. Es trägt den Titel „Ich lebe und ihr seid tot. Die Parallelwelten des Philip K. Dick“. SWR-Literaturchef Frank Hertweck hat nicht nur Emmanuel Carrères Buch gelesen, sondern sich auch in das Dick-Universum hineingearbeitet.…
Lässt sich mit aktuellen Reizworten aus den Soundtracks öffentlicher Debatten ein Roman zimmern? Aus Zeitgeistdiskursen eine Gesellschaftsanalyse zusammenbauen? Die Londoner Autorin Natasha Brown hat es versucht. Und um zu betonen, dass es ihr um den ganz großen Überblick geht, hat sie ihrem Roman auch gleich noch einen Titel gegeben, der wie ein Zertifikat klingt. Er lautet „Von allgemeiner Gültigkeit". Eine moderne Parabel Auch die junge Journalistin Hannah, deren Reportage das erste Drittel des Romans ausmacht, stellt gleich einleitend klar, dass es hier um hoch Bedeutsames geht: Es lohnt sich zu rekonstruieren, was den verstörenden Ereignissen dieser Nacht vorausging, denn dahinter verbirgt sich eine moderne Parabel. Sie offenbart das zerfasernde Gewebe der britischen Gesellschaft, verschlissen durch den pausenlosen Abrieb des Spätkapitalismus. Quelle: Natasha Brown – Von allgemeiner Gültigkeit Was ist passiert? Im Landhaus eines Investmentbankers wurde auf einer Party ein Zwölf-Kilo-Goldbarren des Hausherrn als Schlagwaffe eingesetzt. Täter war der wohlstandsverwahrloste Sohn einer berühmten Kolumnistin, das Opfer gehörte zu einer Gruppe von Weltverbesserungsaktivisten. An sozialen Frontlinien Die Journalistin Hannah erkennt in dem Vorfall heißen Stoff für eine Reportage mit soziologischem Tiefgang. Kein Zweifel, Natasha Brown führt uns direkt an die inneren Frontlinien unserer westlichen Gesellschaften. Antikapitalistische Aktivisten und Banker rücken genauso ins Bild wie die bedrängte bürgerliche Mitte oder die Arbeiterklasse. Begriffe wie Diversität, Klassismus, Rassismus oder kulturelles Kapital schwirren durch die Debattenräume, die von der Autorin effektvoll in Szene gesetzt werden. So spiegelt sie in den fünf Abschnitten ihres Buches jeweils Textgenres und Situationen, die zum sozialen Standardrepertoire gehören. Auf Hannahs Reportage folgt ein Abendessen als Gesellschaftstheater, bei dem unter der Oberfläche des Small Talk hart um Anerkennung und Distinktion gerungen wird. Und am Ende des Romans bildet ein Literaturfestival mit Podiumsdiskussion den passenden Handlungsrahmen für vergiftete Höflichkeiten und rhetorische Statuskonkurrenzen. Schluss mit Woke Eine besonders provokante Figur gibt die Kolumnistin Miriam Leonard ab, die mit ihrem Bestseller „Schluss mit Woke" gegen Identitätspolitik und politische Korrektheit zu Felde zieht. Unverblümt polemisiert sie gegen die verbreiteten Forderungen nach Diversität. Wir müssen darauf bestehen, dass die neue Arbeitnehmerschaft in ihrer Zusammensetzung das gesamte Vereinigte Königreich widerspiegelt, nicht bloß das ›multikulturelle‹ London. Quelle: Natasha Brown – Von allgemeiner Gültigkeit Es überrascht, wie viel Raum Natasha Brown als schwarze Autorin mit Rassismuserfahrungen solchen Tiraden kritiklos einräumt. Blanke Satire ist das nicht. Dafür verkörpert diese Anti-Woke-Kolumnistin eine zu lebendige, durch ihre selbstbewusste Präsenz privilegierte Figur. Das heißt, es bleiben Fragen offen bei diesem von grellen Effekten durchsetzten Gesellschaftsbild. Andererseits ist die Handlung manchmal so vorhersehbar wie der aktuelle Zeitgeist, den sie abbildet. Doch trotz alledem bietet Natasha Browns Roman „Von allgemeiner Gültigkeit" eine Lektüre, die mit zeitkritischem Witz amüsiert und mit zielsicheren Provokationen nicht spart.…
Vier Frauen, vier Lebenswege, vier Sehnsüchte: In „Dream Count“, dem neuen Roman von Chimamanda Ngozi Adichie, dreht sich alles um den Wunsch nach Liebe, Zugehörigkeit und Selbstbestimmung. Drei der Frauen sind in Afrika aufgewachsen und leben inzwischen in den USA, eine ist in Nigeria geblieben. Unterschiedlich in Herkunft, Status und Lebenssituation, eint sie doch die Suche nach Erfüllung – schon der erste Satz des Romans steckt das zentrale Thema ab: Ich habe mich immer danach gesehnt, von einem anderen Menschen erkannt zu werden, wirklich erkannt. Quelle: Chimamanda Ngozi Adichie – Dream Count Wunsch nach Liebe, Zugehörigkeit und Selbstbestimmung Das sagt Chiamaka, genannt Chia, die erste der vier Protagonistinnen. Chia stammt aus einer wohlhabenden nigerianischen Familie und lebt als Reiseschriftstellerin in den USA – jedoch bislang ohne größeren Erfolg. Die Pandemie zwingt sie zur Untätigkeit, und in dieser Zeit beginnt sie, über vergangene Beziehungen zu sinnieren. Sie sucht im Netz nach ihrem Ex-Partnern: Darnell, schön, aber gefühlskalt; ein verheirateter Engländer, dessen Geliebte sie lange war, und Chuka, der perfekte Mann – den Chia trotzdem nicht lieben konnte. Von Chia aus verzweigt sich die Geschichte zu den anderen Frauen. Zikora, ihre beste Freundin, hat in Washington Karriere als Anwältin gemacht. Jahrelang hat sie sich ein Kind gewünscht – jetzt ist sie schwanger, doch der vermeintliche Traummann verlässt sie, als er von der Schwangerschaft erfährt. Er konnte das, einfach ungeschoren davonkommen, sich entscheiden, nichts zu tun, aber sie würde diese Option nie haben, denn es war ihr Körper, und ein Baby musste entweder zur Welt gebracht werden oder nicht. Quelle: Chimamanda Ngozi Adichie – Dream Count Schwere Schicksale und Einblicke in afrikanische Lebenswelten Kadiatou, Chias Haushälterin, stammt aus Guinea, lebt als Geflüchtete in den USA und träumt von einem ruhigen, sicheren Leben. Doch dieser Traum zerbricht brutal, als sie Opfer eines sexuellen Übergriffs wird – ein Fall, der an den Skandal um Dominique Strauss-Kahn erinnert, aber gleichzeitig ein universelles Schicksal von Frauen weltweit repräsentiert. Die vierte Hauptfigur ist Omelogor, Chias Cousine, erfolgreiche Bankerin in Abuja in Nigeria, unverheiratet und kinderlos aus Überzeugung – bis plötzlich der Wunsch nach Mutterschaft in ihr aufkeimt. Adichie verwebt die Geschichten dieser Frauen mit scheinbarer Leichtigkeit, ohne die Schwere der Themen zu verharmlosen. Adichie scheut nicht vor Reibung zurück Fehlgeburten, Abtreibungen, häusliche Gewalt, Genitalverstümmelung – all das findet Raum in diesem Roman, ohne dass er sich in Anklagen verliert. Ganz nebenbei vermittelt sie Einblicke in afrikanische Lebenswelten – ohne lange Erklärungen, aber mit selbstverständlicher Präzision. Wer nicht weiß, was Fonio ist, wird die in Westafrika beliebte Hirseart vielleicht nachschlagen, und dabei einen weiteren kleinen Baustein in Adichies literarischem Kosmos entdecken. Adichie scheut nicht vor Reibung zurück: Sie legt ihren Figuren auch kontroverse Aussagen in den Mund, die Debatten anstoßen – mal entlarvend, mal provokant. Jemand las einen Roman über den Biafra-Krieg in Nigeria und meinte: „Echt interessant, aber ehrlich gesagt kapier ich noch nicht ganz, wieso die Igbo ermordet wurden“. Ich riet ihnen, sich die Igbo als sowas wie die Juden Nigerias vorzustellen: Man traut ihnen nicht, weil sie angeblich alles kontrollieren wollen, Geld lieben und dauernd Ansprüche anmelden. „O mein Gott“, rief da eine Frau, „das darfst du nicht sagen, niemanden darf man mit Juden vergleichen!“ Ich hatte keine Ahnung, dass es Menschen gibt auf dieser Welt, die so selbstverständlich das Hoheitsrecht über anderer Leute Köpfe beanspruchen. Quelle: Chimamanda Ngozi Adichie – Dream Count „Dream Count“ ist ein kraftvoller Roman über Frauen, die lieben, kämpfen und sich behaupten – nicht perfekt, nicht immer heldenhaft, aber mit einer Beharrlichkeit, die bewegt. Adichie gelingt es komplexe Themen in lebendige Erzählungen zu übersetzen. Ihre Figuren sind keine Symbole, sondern echte Menschen mit Widersprüchen und Schwächen. Gerade das macht diesen Roman so eindrücklich: Er zeigt, wie das Private und das Politische untrennbar verwoben sind – und dass es in der Suche nach Selbstbestimmung nicht nur um große Gesten geht, sondern oft um die kleinen, alltäglichen Entscheidungen, die das Leben prägen. „Dream Count“ist ein Buch, das nachhallt – weil es daran erinnert, dass jede Geschichte zählt.…
Ihre großen, runden Augen, mit denen sie uns anstarren, wirken auf manche Menschen bedrohlich. Eulen gelten in einigen Kulturkreisen als Todesboten. Sie werden gefürchtet, verfolgt, umgebracht. Anderswo werden sie als Götter und Glücksboten verehrt. Schon die Namen zeigen, was wir Menschen in ihnen gesehen haben und immer noch sehen: Es gibt Dämoneneulen, Geistereulen, Todeseulen, Koboldeulen, Gold- oder Silbereulen. Seit Harry Potters Siegeszug haben sie zumindest in der westlichen Zivilisation durch seine Botin Hedwig, eine Schleiereule, ein positives Image. Geheimnisvolle Eulen Sie faszinieren uns nicht zuletzt, weil sie so geheimnisvoll sind. Das hat die amerikanische Autorin Jennifer Ackerman veranlasst, sich intensiv mit ihnen auseinanderzusetzen. Ihr Buchtitel „Die Weisheit der Eulen – Der geheimnisvollste Vogel der Welt und seine Talente“ verrät, warum sich die Biologin auf deren Spur begeben hat. Was immer die Eulenforschung der letzten Jahre ergeben hat, findet sich in ihrem Buch. Rund 450 Spezialisten tauschen sich über ein weltweites Eulenprojekt untereinander aus. Viele von ihnen hat sie aufgesucht und sich von ihnen auf anstrengende Exkursionen mitnehmen lassen. So ist ihr Buch in weiten Passagen reportageähnlich und sehr bildhaft. Das liest sich sehr leicht und flott. Allerdings sind die persönlichen Schilderungen dieser Ausflüge in die Wildnis etwas langatmig. Abwechselnd mit ihren Exkursionsreportagen beschreibt sie anschaulich, wie modernste miniaturisierte Elektronik, wie ausgeklügelte Laborexperimente den Eulen immer mehr Geheimnisse entlockt haben und übersetzt die wissenschaftlichen Erkenntnisse in eine allgemeinverständliche Sprache. Minisender, winzige Nestkameras und starke Richtmikrophone decken inzwischen ihr Nestverhalten, ihre Flugbewegungen, ihr Revierverhalten auf. DNA-Analysen haben ergeben, dass es mindestens 250 verschiedene Eulenarten gibt, vom 25 Gramm leichten Elfenkauz, einem winzigen Wollball, bis zum halbmetergroßen Riesenfischuhu, der eine Flügelspannweite von fast zwei Metern hat. Eulen sind in allen Klimazonen von der Arktis bis in die Tropen zu finden. Schwarzweiß – sowie Farbfotos der in neun Kapiteln vorgestellten Eulen bringen sie uns nahe. Besondere Talente Sie sind lautlose Jäger. Ihr Federkleid erzeugt so gut wie keine Geräusche, keine Beute wird vor ihrem Angriff gewarnt. Sie verfügen über ein phantastisches Gehör, das die Bewegungen einer Maus im nächtlichen Dunkel selbst unter 50 Zentimetern Schnee wahrnimmt. Die meisten der 250 Eulenarten verschmelzen dank ihres farblich der Umgebung angepassten Gefieders perfekt mit der jeweiligen Natur. Ihr Liebesleben ist ungewöhnlich. Lebenslange Paarbindungen gibt es nicht. Männchen und Weibchen ziehen zwar gemeinsam den Nachwuchs auf, aber danach gehen sie durchaus neue Beziehungen ein. Bedrohungen Abgesehen von der Jagd in asiatischen Ländern wegen vermeintlicher Heilkräfte von Federn und Knochen, sind alle Eulenarten durch Artenschwund, Umweltverschmutzung, Klimawandel bedroht. Die naturbelassenen Flächen, in den Eulen vor allem leben, werden immer kleiner. Die Zivilisation rückt überall immer weiter in die Wildnis vor, die Jagdgebiete schrumpfen. Vielerorts versuchen Ornithologen, bedrohte Eulenarten zu schützen und ziehen in Zuchtstationen Nachwuchs auf. Ein extrem schwieriges Unterfangen, wie Jennifer Ackerman schildert. Ihr Buch ist ein brillantes Plädoyer für die Rettung dieser faszinierenden Vögel.…
Auf den ersten Blick ist die Großmutter der Ich-Erzählerin eine ganz gewöhnliche ältere Frau mit den üblichen Schrullen: Sie kauft immer nur dieselben Lebensmittel ein, hat einen übertriebenen Hang zur Ordnung; den Satz „Ich bin akkurat“ murmelt sie gewohnheitsmäßig auf Russisch vor sich hin. Ihre Handschrift ist penibel; die Zeilen in ihren Briefen halten stets den gleichen Abstand. Erst nach dem Tod der Großmutter entdeckt ihre Enkelin das linierte weiße Blatt, das der Großmutter beim Verfassen ihrer Briefe als Unterlage gedient hat. Es ist ein gutes Bild dafür, wie geschickt Ricarda Messner in ihrem Debüt mit Erwartungen und scheinbaren Gewissheiten spielt, um sie dann zu unterlaufen. „Wo der Name wohnt“ ist eine Lektüre, die Aufmerksamkeit erfordert. Messner springt in den Zeitebenen vor und zurück. Zu Beginn des Romans ist die Großmutter bereits seit Jahren tot, und die Ich-Erzählerin erinnert sich daran, wie sie Jahre zuvor ihre erste eigene Wohnung in der unmittelbaren Nachbarschaft der Großmutter bezogen hatte. Einige Freundinnen und Freunde fragten mich damals, ob ich denn wirklich so nah bei Großmutter leben wolle. Vielleicht wäre es doch besser, wenn die erste Wohnung mit der Familie bricht, und ob ich denn keine eigene Zukunft wolle, kein eigenes Leben. Bis heute nehme ich es ihnen nicht übel, verstehe allerdings immer noch nicht, wie das gehen soll und was das sein soll, das eigene Leben. Quelle: Ricarda Messner – Wo der Name wohnt Rekonstruktion mit Lücken Die Frage, inwieweit es möglich ist, ein von Geschichte und familiären Prägungen unabhängiges Leben zu führen, ist das Grundthema des Romans. Vorsichtig tastet Ricarda Messners Ich-Erzählerin sich in die Historie ihrer Familie hinein. Und weil so etwas eben nicht chronologisch geordnet wie das Drehbuch einer Vorabendserie funktioniert, bleiben in der Rekonstruktion immer wieder Lücken. Wer Messners Roman vorwirft, dass die Autorin der Vagheit ihrer Hauptfigur nicht entschlossen genug entgegensteuere, hat das Erzählprinzip nicht verstanden. Fest steht: Die Eltern der 1989 geborenen Erzählerin sind im April 1971 aus Riga, der Hauptstadt Lettlands, in die Bundesrepublik eingereist. Fest steht auch, dass die Erzählerin einen Schriftwechsel mit den deutschen Behörden führt, um den lettischen Namen ihrer Mutter, Lewitanus, annehmen zu dürfen. Die nüchternen Antworten der Behörde sind den einzelnen Kapiteln jeweils als Auftakt vorangestellt: Der bloße ‚Herzenswunsch‘, einen anderen Familiennamen führen zu wollen, stellt grundsätzlich keinen wichtigen Grund für eine Namensänderung dar. Quelle: Ricarda Messner – Wo der Name wohnt Sekundäre Zeugenschaft Aus Erinnerungsschnipseln, Erzählungen der Eltern und zufälligen Fundstücken erwirbt sich die Erzählerin das, was man mit dem Begriff „sekundäre Zeugenschaft“ bezeichnet – ein Wissen über die eigene Herkunftsgeschichte, das sich nicht aus eigenem Erleben, sondern nur aus indirekter Vermittlung speist: Ich war fünfzehn Jahre alt, und in den nächsten Jahren ging ich immer wieder zum Wohnzimmerschrank, um diese Dokumente zu lesen, meistens dann, wenn ich allein war und meine Mutter nicht bei jedem Geräusch fragte, was suchst du da, weil sie dachte, ich würde ihre Kleider zerschneiden. Quelle: Ricarda Messner – Wo der Name wohnt Das dunkle Zentrum dieses Romans, so viel soll verraten werden, das sind die blutigen Tage im Rigaer Ghetto im Jahr 1941; die Kollaboration der lettischen Nationalisten mit den deutschen Nationalsozialisten, die Ermordung zehntausender jüdischer Bürger in lettischen Konzentrationslagern oder Gefängnissen. Eine Verflechtung historischer Ungeheuerlichkeiten, die Spuren hinterlassen, sich eingegraben hat in die Familiengeschichte bis in die Gegenwart hinein. Ricarda Messner hat in ihrem Debüt eine schlüssige Form dafür gefunden, wie man davon erzählen kann. Der oft verwendete Begriff „transgenerationales Trauma“ wird in diesem schmalen, aber bemerkenswerten Roman anschaulich gemacht – mit literarischen Mitteln, dafür aber umso eindrücklicher.…
„Pop-up-Propaganda“ hat Irina Rastorgueva ihr neues Buch genannt, weil die heutige Putinsche Wirklichkeitsvernebelung im Grunde ganz ähnlich funktioniert wie in der Zarenzeit, wo einst für Katharina die Große Potemkinsche Dörfer errichtet wurden. Da, wo sich der Autokrat Putin blicken lässt, werden nämlich auf einmal Straßen ausgebessert und Hausfassaden gestrichen. Doch leider besucht der heutige Kremlherrscher, wenn überhaupt, nur noch regionale Zentren. Die Peripherie – und die ist im riesigen Russland fast überall – darf sehen, wo sie bleibt. Dort werden Krankenhäuser und Schulen geschlossen und im Winter die Straßen nicht mehr geräumt. Absurdes Theater für die russische Öffentlichkeit Noch erschütternder als der Verfall der Infrastruktur ist das „absurde Theater“ der russischen Öffentlichkeit, wie Rastorgueva es nennt, das inzwischen zum totalen geistigen und moralischen Verfall des Landes geführt hat, gipfelnd in einem imperialistischen Krieg, mit dem die russische Sargindustrie kaum mehr Schritt halten kann. Die Produktion von Propaganda läuft dagegen auf Hochtouren, wie Rastorgueva an Dutzenden von Beispielen zeigt. So auch an einem Bericht von Russia Today über die angebliche Flucht eines ukrainischen Rabbiners vor den vermeintlich antisemitischen Kiewer Behörden. Es wurden Aufnahmen der Synagoge mit den Worten „Tod den Jidden“ und einem Hakenkreuz gezeigt. Außerdem wurden Ausschnitte aus einem Interview mit Rabbi Mikhail Kapustin serviert. In dem Video packt er seine Sachen und sagt: „Ich will nicht weggehen. Aber ich möchte, dass sich meine Kinder sicher fühlen. Deshalb gehe ich.“ Tatsächlich handelt es sich aber nicht um eine Synagoge in Kiew, sondern um eine Synagoge in Simferopol, an der die Schmierereien erschienen, nachdem das russische Militär die Krim besetzt hatte, von wo Kapustin in die Ukraine geflohen war. Quelle: Irina Rastorgueva – Pop-up-Propaganda. Epikrise der russischen Selbstvergiftung Russische Medien als Sprachrohre des Putinismus Um solche Fälschungen, die zum üblichen Instrumentarium der Kremltreuen gehören, entlarven zu können, hat Rastorgueva drei Jahre lang die russischen Medien durchforstet, von staatlichen Sendern bis zu Telegram, von unabhängigen Nachrichtenkanälen bis zur Sonntagabend-Talkshow des Hetzers Wladimir Solowjow im Staatsfernsehen. Am Rande erfährt man dabei auch, dass Gestalten wie Solowjow oder sein Journalistenkollege Dmitrij Kisseljow in den 1990er-Jahren und teils darüber hinaus noch liberale Ansichten vertraten. Heute sind sie Sprachrohre des Putinismus. Neben dem Hass auf die Ukraine und insbesondere Wolodymyr Selenski steht der Hass auf das angeblich sittenlose „Gayropa“ im Vordergrund. Aktuell ist auch der Ausdruck „Liberast“ im Schwange, eine Zusammenziehung aus „liberal“ und „Päderast“. Angebliche westliche Vernichtungspläne „Dem Westen“ wird auch unterstellt, Vernichtungspläne gegen Russland zu schmieden. Zur Verbreitung solcher Lügen gibt sich etwa Michail Kowaltschuk, Leiter des Kurtschatow-Instituts, Russlands führender Kernforschungsanstalt, her. Seinen Informationen zufolge erarbeiten amerikanische Ethnogenetiker Waffen, die für eine ethnische Gruppe ungefährlich und für eine andere tödlich sind. Die heutigen russischen Behörden beschuldigen die Vereinigten Staaten seit 2009 permanent, biologische Waffen auf dem Territorium der Ukraine, Georgiens, Kasachstans und Armeniens zu entwickeln. Und das ohne jeden Beweis. Quelle: Irina Rastorgueva – Pop-up-Propaganda. Epikrise der russischen Selbstvergiftung In einem Vierteljahrhundert Putin hat die Kremlpropaganda die Dimensionen einer eigenen Wirklichkeit angenommen, stellt Rastorgueva nüchtern fest. Wo immer man ihr Buch aufklappt, springt einem die russische Paranoia entgegen. Es bietet dem Leser eine wohl einzigartige Binnenperspektive auf das heutige Russland.…
Mexiko-City im Jahr 2030: Ein Großbrand im Stadtwald Bosque de Chapultepec verwüstet den Friedhof Panteón Civil de Dolores, wo sowohl Berühmtheiten als auch Namenlose begraben sind. Außerdem zerstört das Feuer den Zoo der mexikanischen Hauptstadt – und alle Tiere, bis auf ein Emu-Küken, sterben. Vor dem Hintergrund dieser imaginierten Katastrophe erzählt Jorge Comensal in seinem Roman „Diese brennende Leere“ zwei Lebensgeschichten, die von Karina und Silverio, die sich irgendwann kreuzen. Schmerzhafte Suche nach der Wahrheit Karina ist eine 25-jährige Physikerin. Sie forscht zu einer neuen Theorie der Schwerkraft und lebt seit frühester Kindheit bei ihrer dem Whisky verfallenen Großmutter Rebeca. Karinas Eltern haben ein Grab auf dem Panteón Civil de Dolores. Als die junge Frau den Verdacht schöpft, dass Vater und Mutter gar nicht gemeinsam bei einem Verkehrsunfall gestorben sind, wie man ihr immer erzählt hat, macht sie sich auf die schmerzhafte Suche nach der Wahrheit. Sie kann nicht glauben, dass Rebeca, die geschwätzigste Frau der Welt, all die Jahre ein Geheimnis vor ihr bewahrt hätte. Was kann ihre Mutter verbrochen haben, dass ihre Großmutter sie derart hasst? Dieser Groll würde erklären, warum sie ihr hartnäckig jedes Andenken verweigert. (Mit keinem Wort erwähnt ihre Großmutter die verstorbene Schwiegertochter.) Als hätte sie nie existiert. Quelle: Jorge Comensal – Diese brennende Leere Silverio wiederum ist Friedhofswärter und hat in der Nacht des verheerenden Brandes Dienst. Nachdem er sich mit Mühe und Not vor den Flammen gerettet hat, sitzt er erschöpft im Wachhäuschen – da ruft ihn seine Teenager-Tochter Daenerys an, mit der er eigentlich keinen Kontakt hat. Ich mache mir solche Sorgen um die Giraffen, die Flamingos, die Kalifornischen Kondore, sie stehen auf der roten Liste der vom Aussterben bedrohten Tierarten.“ – „Hör mal, meine Tochter …“ – Silverio waren die vom Aussterben bedrohten Tierarten sowas von egal – „… als ich eben glaubte, mein letztes Stündchen hätte geschlagen, habe ich ganz doll an Dich gedacht. Ich will, dass wir uns häufiger sehen. Ich rede mit deiner Mamá, damit sie da nichts gegen hat, ja? Es ist nicht richtig, dass du so gar nichts von deinem Papá hast.“ Quelle: Jorge Comensal – Diese brennende Leere Neue Vater-Tochter-Beziehung Die neue Vater-Tochter-Beziehung, die sich aus Daenerys‘ Sorge um die Tiere des Zoos entwickelt, ist so ungefähr das einzig Schöne, das in Silverios Leben passiert. Ansonsten kämpft er mit finanziellen Problemen und Süchten, muss Schutzgeld für seinen Bruder zahlen – einen Auftragsmörder hinter Gittern – und sich um seine depressive Mutter kümmern. Von den Sorgen, Nöten und Tragödien der beiden einsamen Großstadt-Bewohner Silverio und Karina erzählt Jorge Comensal in einer frischen, unverblümten und dialogreichen Sprache. Es gibt in seinem Buch auch viel Situationskomik – all das verhindert, dass die Handlung ins allzu Schwere abgleitet. Spannend ist der Roman zudem: Wir wollen wissen, was mit Karinas Eltern wirklich passiert ist. Und dadurch, dass der Roman auf verschiedenen Zeitebenen hin- und herspringt, fordert er sie Lesenden. Extremhitze, Wassermangel, tödliche Flammen Das Interessanteste an dem Roman aber ist das Zukunftsszenario, das Comensal entwirft. Es ist eben keine in weiter Ferne liegende Apokalypse – beklemmend und zugleich völlig abstrakt. Der Autor schaut nur wenige Jahre voraus und hat mit 2030 sicher nicht zufällig das Jahr gewählt, das die Staatengemeinschaft als Zielmarke für nachhaltige Entwicklung gesetzt hat. Der Tod der Zoo-Tiere kann als Allegorie auf das globale Artensterben verstanden werden. Aber er erscheint auch sehr real – angesichts der Brände von Los Angeles mit ihren katastrophalen Folgen. Extremhitze, Wassermangel und tödliche Flammen: Als Jorge Comensal „Diese brennende Leere“ 2022 in Mexiko veröffentlichte, konnte er nicht ahnen, dass die Wirklichkeit die Zukunftsfiktion bereits drei Jahre später übertreffen würde. Trotzdem oder gerade deshalb ist diese literarische Auseinandersetzung mit den Folgen des Klimawandels originell und lesenswert.…
Wunnicke hat sich zur Spezialistin für präzise gearbeitete Kurzromane entwickelt, in deren Mittelpunkt historische Figuren stehen. Im neuen Roman schreibt sie über Marie Marguerite Bihéron, eine wegweisende Bildnerin von anatomischen Wachspräparaten.
Hjorths Romane kreisen geradezu besessen um eine Familiengeschichte, die ihrer eigenen ähnelt. Ein Streit unter Geschwistern, der über Bücher ausgetragen wird. Im Zentrum: Eine traumatische Missbrauchserfahrung durch den eigenen Vater.
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